Eigenmietwertsteuer

Die heutige Eigenmietwertsteuer wurde als Folge der damaligen Weltwirtschaftskrise im Jahre 1934 durch den Bundesrat auf der Grundlage von Notrecht als direkte Bundessteuer eingeführt; sie war damals weitgehend unbestritten.

Am 9. Dezember 1940 beschloss der Bundesrat, diese Steuer unter der Bezeichnung „Wehrsteuer“ zu erheben. Die Besteuerung von Wohneigentum war nie das Ziel. Insbesondere hatte diese Steuer mit der Förderung von Wohneigentum in keiner Weise etwas zu tun.


Wer heute seine eigenen vier Wände bewohnt, muss dafür einen fiktiven Mietzinsertrag versteuern? Das tönt nicht nur unlogisch, es ist grotesk. Mit trickreichen Gesetzen wird versucht, finanzielle Anreize zur Förderung des Wohneigentums zu geben, ohne die Mieter dabei wirtschaftlich zu benachteiligen. Diese Steuer ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich und von einer ganzen Reihe verschiedener Faktoren abhängig. Änderungen dieser Einflussgrössen, wie beispielsweise beim Marktzins oder den Unterhaltsaufwendungen, beeinflussen die Höhe der Abgabe und können erhebliche Steuererleichterungen bewirken, von denen jeweils einzelne Personengruppen profitieren.


Beim erklärten Ziel, Mieter und Eigenheimbesitzer gegenseitig nicht zu benachteiligen, wäre es angebracht, die Eigenmietwertbesteuerung, wie bei den Mieten, an den Referenzzinssatz zu koppeln, sodass die Eigenmietwertsteuer im Gleichschritt mit den Mietzinsen den Marktzinsänderungen folgt. Eine derartige, Gerechtigkeit schaffende Massnahme fehlt jedoch.


Hat ein Rentnerehepaar aus unterschiedlichen Gründen keine Einnahmen aus einer Pensionskasse, sondern lediglich die Maximalrente der AHV von 45'360 Franken, zählt das Steueramt auf Grundlage der Eigenmietwertbesteuerung 15'600 Franken zum steuerbaren Einkommen hinzu. Die Rentner müssen dieses real gar nicht vorhandene Zusatzeinkommen mit ihrer ohnehin nicht existenzsichernden Rente bezahlen. Zusätzlich bewirkt die Progression höhere Abgaben auf das effektive Einkommen. Das Beispiel verdeutlicht die Unvernunft der Eigenmietwertsteuer.


Befürworter der Eigenmietwertsteuer argumentieren, Naturaleinkommen aus selbstgenutzten Vermögenswerten seien zu versteuern. Sie übersehen dabei, dass es eine ganze Reihe weiterer selbstgenutzter Vermögenswerte wie Flugzeuge und Kücheneinrichtungen gibt, bei denen niemand daran denkt, diese in gleichem Sinn zu versteuern. Besonders bei Jachten und Wohnmobilen zeigt sich die Diskrepanz dieser Argumentation. Obwohl diese Vermögenswerte in Ferien und an Wochenenden ebenso dem Wohnen dienen, wird die Eigenmietwertbesteuerung nicht angewendet.


Die Argumentation, durch den Abzug der Hypothekarzinsen sei die Steuerbelastung nur unbedeutend, trifft bei den gegenwärtig tiefen Zinsen nicht zu. Bei einer Immobilie von 1 Million Franken, einer Hypothek von 600'000 Franken bei 1,5 % Zins und einem vom Steueramt festgelegten, fiktiven, jährlichen Mietwert von 40'000 Franken resultiert ein gar nicht vorhandenes, gleichwohl zu versteuerndes, zusätzliches Einkommen von 31'000 Franken. Durch die Progression bedingt, steigen die Steuerabgaben noch zusätzlich.


Die bestehenden Abzugsmöglichkeiten und das niedrige Zinsniveau sorgen dafür, dass die Schweizer weltweit eine der höchsten Pro-Kopf-Verschuldungen und eine der höchsten Verschuldungen gemessen am Bruttoinlandsprodukt haben. Das gefährliche und unsinnige System der Wohneigentumsbesteuerung birgt Risiken und macht die Schweiz für Immobilien und Konjunkturkrisen anfällig. Letztendlich sind Wohneigentümer im Vergleich zu Mietern, in den gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen, oftmals schlechter gestellt.


Die Eigenmietwertsteuer ist eine willkommene Staatseinnahme und bringt bei ihrem Wegfall die Kantone in Bedrängnis. Mit einer neu zu schaffenden Zweitwohnungsteuer (Objektsteuer) können die Kantone diese Ausfälle kompensieren. Eine durchaus gerechtfertigte Staatsabgabe, müssen für die Zweitwohnungen doch vollständige Infrastrukturen für Wasser, Abwasser, Abfallentsorgung, Stromversorgung, öffentlichen und privaten Verkehr bereitgestellt und betrieben werden. Dieser Objektsteuer haftet allerdings der gleiche Makel an wie der Eigenmietwertsteuer. Erstens liegt kein tatsächliches Einkommen vor und zweitens gibt es Jahre nach dem Neubau keine fundierten Zahlen über den Wert einer Wohnung. Diese müssen ebenso willkürlich festgelegt werden, wie der fiktive Eigenmietzins.


Wünschenswert wäre, diese Einnahmen mit normalen Steuern auf Einkommen und Vermögen einzuziehen. Bedingt durch Doppelbesteuerungsabkommen ist dies bei ausländischen Ferienwohnungsbesitzern unzulässig. Es ist daher zwischen den gangbaren Varianten «Eigenmietwertsteuer» und «Objektsteuer» zu entscheiden. Ein Entscheid, der aus den besagten Gründen klar zugunsten der «Objektsteuer» ausfallen muss. Die politisch angestrebte Förderung von Wohneigentum bleibt bestehen, kann doch beim Kauf eines Hauses oder einer Wohnung in den ersten zehn Jahren bei der Steuer ein Teil der Hypothekarzinsen abgezogen werden. Viele Pensionierte müssen kein Einkommen mehr versteuern, das es gar nicht gibt. Häufig macht bei ihnen der Eigenmietwert einen wesentlichen Teil des steuerbaren Einkommens aus. Auf der anderen Seite entfallen bei Besitzern von älteren, renovationsbedürftigen Wohnbauten die lukrativen Steuergeschenke. Denn werterhaltende Investitionen und die Unterhaltspauschale sind nach Aufhebung der Eigenmietwertsteuer nicht mehr abziehbar.


Die mittlerweile 90-jährige Eigenmietwertsteuer ist ein Paradebeispiel dafür, wie einmal beschlossene Steuern, selbst wenn sie befristet eingeführt wurden, über Jahre zur Bewältigung finanzieller Engpässe genutzt werden. Dass Parlament und Regierung jahrzehntelang nach Korrekturen suchten, erstaunt nicht. Die Sachlage ist dermassen verquickt, dass es bei jeder Änderung Gewinner und Verlierer gibt. Wenn in dieser Situation die Parlamentarier, aber auch die Stimmbürger, nicht bereit sind, zugunsten der Gemeinschaft einzelne Nachteile in Kauf zu nehmen, bleibt der leidige Zustand erhalten.


Mit der Objektsteuer liegt eine Lösung vor, die die wesentlichen Ungereimtheiten der Eigenmietwertsteuer beseitigt. Unverständlich ist, dass die Kantone die Abschaffung der Eigenmietwertsteuer bekämpfen. Sie ziehen es vor, den Besitzern von Wohneigentum weiterhin Steuergeschenke zum Nachteil der Mieter zu machen. Die Kantone erleiden mit der neu zu schaffenden Objektsteuer keinerlei finanzielle Einbussen. Sie müssen lediglich die Steuererhebung im Bereich Zweitwohnungen neu regeln. Dabei anfallende Aufwendungen können die Kantone minimieren, indem sie gemeinsam eine einheitliche, nationale Lösung erarbeiten. Eine nationale Lösung, die das kantonübergreifende Steuersystem zusätzlich vereinfacht und Rationalisierungsersparnisse bringt.


Werden beide Vorlagen angenommen, ist der Weg frei für die Abschaffung der Eigenmietwertbesteuerung. Ab welchem Jahr diese entfällt, ist allerdings ungewiss. Den Kantonen wird zur Realisierung der Gesetze und Organisation Zeit eingeräumt. Was ein paar Jahre in Anspruch nehmen wird. Die Befürchtung, die Einführung der Objektsteuer werde zur Aufbesserung der Staatskasse zulasten der Zweitwohnungsbesitzer genutzt, ist nicht von der Hand zu weisen. Mässigung ist jedoch angesagt, andernfalls könnten ablehnende Haltungen zur Fortsetzung des jahrelangen „Eigenmietwertsteuer-Cabarets“ führen. Für die Schweizer Demokratie wäre es bedenklich, wenn die verkrustete Eigenmietwertsteuer erneut an den demokratischen Unzulänglichkeiten scheitern und auf unbestimmte Zeit fortgeführt würde - nur weil es Bundesbern unterlassen hat, in der Abstimmungsvorlage ein Übergangsdatum, zum Beispiel den 1.1.2028, festzuschreiben.

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