Das Schweizer Bildungswesen „produziert“ ein steigendes Übermass an Hochschulabsolventen während die Lehrabschlüsse stagnieren.
Bildung hat den Zweck, den Wohlstand der Bevölkerung und den sozialen Zusammenhalt in Einklang mit der Natur zu fördern. Dazu braucht es für alle Lebensbereiche in einer ausgewogenen Zusammensetzung Fachpersonen, die ihren Beitrag zum gemeinsamen Wohlstand leisten. In den Spitälern brauchen wir beispielsweise nicht nur hoch qualifizierte Ärzte, sondern eine Vielzahl von Berufsleuten wie Pflegepersonal, Informatiker, Küchenpersonal, Reinigungspersonal und zusätzlich für den Bau und den Unterhalt des Spitals Maurer, Mechaniker, Lastwagenfahrer, Schreiner, Heizungsbauer etc., etc..Und das Allerwichtigste - wir benötigen eine ganze Reihe von Berufsleuten, die dafür besorgt sind, dass wir jeden Tag eine Portion gesunder Lebensmittel zu uns nehmen können. Nicht allein die hochgebildeten Personen haben den Wohlstand geschaffen und arbeiten für seine Erhaltung.
Die Statistik zeigt, dass in der Schweiz die Ausgewogenheit an Fachkräften aus den Fugen geraten ist. Gegenüber Lehrberufen wurde ein Übermass an Hochschulabsolventen herangebildet. Bundesrat und Parlament haben in den vergangenen zehn Jahren die Zuschüsse an die Hochschulen Jahr für Jahr von 1,833 auf 2,264 Milliarde Franken (+23,5 %) erhöht. Das ermöglichte den Bildungseinrichtungen stets neu Bildungsgänge zu schaffen und mit öffentlicher Werbung Lehrgangs-Teilnehmer für ihre Angebote zu gewinnen. Lehrberufe erfahren von höchster politischer Ebene keinen Bruchteil dieser Bildungsförderung. Entsprechend blieben sie auf der Strecke und sind in der Anzahl der Lehrabschlüsse auf dem Stand vor zehn Jahren stehen geblieben.
Die heutige Welt ermöglicht es, praktisch unendlich viele Themen für neu Professuren aufzugreifen. In Deutschland werden gegenwärtig beispielsweise 21'848 Studiengänge angeboten. Welches Wirtschaftsunternehmen benötigt aber Hochschulabsolventen mit einem Abschluss auf „Demografieorientiertes Sport- und Gesundheitsmanagement“ oder „Digitale Japanstudien“. Nicht die Qualität, nicht der Leistungsausweis oder ein ausgewiesener Nutzen wird von den Hochschulen als Ziel verfolgt, sondern die Steigerung der Studenten Zahlen. Entsprechend hat es die ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) geschafft, die Anzahl der Studenten von 9'148 innerhalb von 10 Jahren um 50 % auf 14'382 zu steigern. Andere Schweizer Hochschulen stehen dieser Entwicklung nicht nach. Im Gleichschritt mit den zur Verfügung gestellten finanziellen Mitteln steigern die Hochschulen die Studentenzahlen ohne Rücksicht auf die resultierenden Erwerbslosenzahlen.
Das Missverhältnis von Hochschul- zu Lehrabschlüssen führt zu einem Arbeitskräftemangel bei den handwerklichen Diensten und veranlasst Hochschulabgänger Arbeiten anzunehmen, für die sie nicht ausgebildet sind und ihre Ausbildung keinerlei Nutzen bringt. Häufig wird argumentiert, Bildung sei für die Erhaltung oder gar Förderung der Wirtschaftskraft unabdingbar. Sind es aber die Frauen und Männer mit Dr. oder Ing. Titeln welche kreative Ideen entwickeln und Start-ups auf den Weg bringen? Sind sie es, die ihre Tatkraft in einem Kleinbetrieb einsetzen? Findet man diese Berufsleute nicht typischerweise als Geschäftsführer, als Institutsleiter oder als Verwaltungsrat wieder? Keiner der Milliardäre Bill Gates, Jeff Bezos, Elon Musk, die in den vergangenen Jahren die weltweit grössten Unternehmen aufgebaut und hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen haben, haben einen Master geschweige denn Dr. Abschluss. Ihr Streben nach Neuem, ihr Unternehmergeist und kein Diplom waren ausschlaggebend für ihren Erfolg.
Dass die alleinige Förderung der Hochschulen nicht den erwünschten, wirtschaftlichen Nutzen bringt, geht auch aus internationalen Ranking der Start-ups hervor. Mit Rang 18 erscheint die Schweiz unter anderem hinter Niederland, Israel und Italien. Trotz deutlicher Verbesserungen in den letzten Jahren schaffen Schweizer Start-ups im internationalen Vergleich nur wenig neue Arbeitsplätze, was auch mit Fachkräftemangel auf dem Nicht-Hochschul-Niveau zusammenhängt. Baustelle Schweizer Wirtschaft
Ausgerechnet in den jugendlichen Lebensjahren, die sich durch maximale Kreativität und maximalen Tatendrang auszeichnen, erbringen Studierende für die Volkswirtschaft mehrere Jahre keine Arbeitsleistung, kosten den Staat jährlich durchschnittlich 20'0000 Franken und fehlen der Volkswirtschaft wertvolle Arbeitskräfte und Beitragszahler in die Sozialwerke.
Ein Richtungswechsel drängt sich auf. Hochschulabsolventen und Lehrberufe müssen in ein zweckdienliches Verhältnis gebracht werden. Wir benötigen mehr Lehr- und weniger Hochschulabsolventen. Die Attraktivität der Lehrberufe muss zulasten der akademischen Berufe gesteigert werden. Ein sicherer Arbeitsplatz und vorzügliche Rahmenbedingungen für das ganze Berufsleben, vor allem aber auch eine Entlöhnung, die den akademischen Berufen nicht nachsteht, sind die Mittel, um junge Menschen für einen Lehrberuf zu gewinnen. Eine Angleichung der Minimallöhne der Lehrabgänger an diejenigen der Hochschulabgänger ist unabdingbar. Eine solche wertet die Lehrberufe und das Ansehen der Berufsleute auf und sorgt für das nötige Wachstum der Lehrberufe. Bundesrat und Parlament stehen in der Pflicht, die bisher einseitige Förderung der Hochschulen mit Massnahmen zur Stärkung der Berufslehre zu korrigieren. Eine fortschreitende Degenerierung des Arbeitsmarktes hätte ernsthaften Folgen für die internationale Konkurrenzfähigkeit und den ganzen Sozialstaat.
Zahlenmaterial: BFS