Als Lebensmittelverschwendung (umgangssprachlich «Food Waste» genannt) werden die essbaren Anteile der Lebensmittel bezeichnet, die für den menschlichen Verzehr produziert, aber nicht von Menschen konsumiert werden.
Sowohl in der Schweiz als auch weltweit geht über die Lebensmittelkette etwa ein Drittel aller Lebensmittel verloren oder wird vernichtet.
Die Schweiz verzeichnet Lebensmittelverluste von 330 kg pro Einwohner und Jahr, somit 2,8 Mio. Tonnen entsprechend 100 000 Lastwagen.
Vermeidbare Lebensmittelabfälle umfassen alle Lebensmittel und Lebensmittelteile, welche essbar und gesundheitlich einwandfrei sind oder einmal waren, aber wegen Verderb, Verfall oder Qualitätsmängeln nicht von Menschen verzehrt werden. Dazu gehören auch Lebensmittel, die verfüttert werden. Hingegen zählen Futtermittel, welche von Anfang an zu Futterzwecken angebaut wurden, nicht zu Food Waste.
Unvermeidbare Lebensmittelabfälle umfassen alle nicht essbaren Teile von Lebensmitteln wie Rüstabfälle, Knochen und Käserinden sowie Abfälle, welche bei bestem Wissen und Gewissen nicht vermeidbar sind. Dazu gehören beispielsweise Kartoffeln, welche trotz korrekter Lagerbedingung von einem Krankheitserreger befallen werden.
Nicht nur die Lebensmittel, sondern auch die für deren Produktion und Distribution verwendeten Ressourcen werden nutzlos verschwendet:
- Die Umweltbelastung und Treibhausgasemissionen durch das Ernährungssystem der Schweiz beträgt 28 Prozent. Ein Viertel davon ist auf vermeidbare Lebensmittelverluste zurückzuführen.
- Der Landverbrauch für den Anbau der weggeworfenen Lebensmittel entlang der gesamten Wertschöpfungskette ist grösser als die Hälfte der landwirtschaftlich genutzten Fläche der Schweiz.
- Immer kostbarer werdendes Wasser wird für den Anbau, die Reinigung und die Zubereitung von Lebensmitteln verschwendet.
- Für Produktion, Ernte, Aufbereitung, Zubereitung, Lagerung und sämtliche Transporte wird zum Teil fossile Energie verwendet.
- Die Natur wird durch Pestizide, Dünger, Verpackungsmaterialien etc. belastet.
- Nicht zuletzt führt auch die Entsorgung von Lebensmitteln zu weiteren Umweltbelastungen.
Seit 2014 befasst sich der Bundesrat mit den Lebensmittelverlusten und hat Massnahmen zur Reduktion unterstützt, stellt heute aber fest, dass mit den bestehenden Aktivitäten die Lebensmittelverschwendung bis 2030 nicht halbiert werden kann. Mit der Agenda 2030 versucht er nun, mit 14 Massnahmen, dieses Ziel zu schaffen. Konkrete Auflagen für Wirtschaft und Konsumenten sollen jedoch erst nach 2025 erarbeitet werden. Das Papier besiegelt demnach den Status quo bis 2025, sind doch bis zu diesem Zeitpunkt weder Ziele formuliert, noch wurden wirksame Massnahmen beschlossen.
Wie oft, in vergleichbaren Situationen, will die Wirtschaft staatliche Auflagen verhindern und behauptet, mit innovativen Lösungen die Reduktion der Lebensmittelverluste im vorgegeben Zeitrahmen verwirklichen zu können. Dem gegenüber steht die Tatsache, dass die bereits übersättigte Bevölkerung die gegenwärtig vernichteten Lebensmittel – weil überschüssig – niemals wird essen können. Der Überschuss ist und bleibt Überschuss. Abhilfe schafft nur die Reduktion der produzierten Menge.
Die 30 % Food Waste um die Hälfte reduzieren bedeutet nichts anderes als die Umsätze in der ganzen Nahrungsmittelkette, beginnend bei der Produktion und beim Import über die verarbeitenden Betriebe bis hin zum Gross- und Detailhandel (Nahrungsmittelbereich) um 15 % herunterzufahren.
Die Lebensmittelverluste entstehen zu 38 Prozent in den Haushalten. Zählt man die Gastronomie und Grossküchen hinzu, fallen in den Küchen der Endverarbeitung satte 52 % der Wegwerfware an. Wohlgemerkt - es handelt sich um erstklassige, im Handel beschaffte Lebensmittel. Zudem ist die Vermeidung von Food Waste am Ende der Wertschöpfungskette, aus der Umweltperspektive, besonders wichtig. Grund genug, an dieser Stelle die Reduktion der Verschwendung anzupacken und sich nicht wissenschaftlich in Nebensächlichkeiten zu verlieren.
Dass in den Haushalten zu viel Lebensmittel im Müll landen, ist darin begründet, dass in den letzten Jahren die kleinsten Verpackungseinheiten stetig vergrössert wurden. Hackfleisch erhielt man in der Vergangenheit offen oder in 300 g Packungen. Dem Preisdruck folgend, wollten die Anbieter diese Packungen nicht einfach billiger verkaufen. Damit aus dem Verkauf dieser Produkte ein gleich hoher Ertrag erzielt werden konnte, wurden die Preise zwar reduziert, gleichzeitig aber die kleinste Verpackungsmenge auf 500 g erhöht. Niemand kann getadelt werden, wenn in einem Ein- oder Zweipersonen Haushalt (die häufigsten Haushaltgrössen) nach spätestens drei Tagen von den 500 g Hackfleisch ein grosser Teil im Abfalleimer landet. Gleiches lässt sich bei Käse, Kartoffeln, Tomaten, abgepackten Früchten und Beeren sowie bei allen Formen von Mega- und Multipacks feststellen. Kombiniert mit Werbemassnahmen schafften es die Grossverteiler, den Vorgaben der Unternehmensführung folgend, Lebensmittel in die Haushalte zu pushen, von denen 30 % schlussendlich im Müll landen.
Vergleichbar ist die Situation im Gastgewerbe. Teller werden heute ordentlich gefüllt und mit einem zwei-, drei- oder vierhundert Gramm Stück Fleisch dekoriert. Je mehr auf dem Teller liegt, umso höher kann der Preis angesetzt werden. Oft plagt den Anbieter dabei das schlechte Gewissen und er bietet an, das auf dem Teller Liegengebliebene einzupacken. Wer ist aber schon motiviert, in den folgenden Tagen die Reste eines gepflegten Essens zu kosten.
Das berechtigte Umsatzstreben im Gastgewerbe und im Detailhandel hat die Lebensmittelwirtschaft zu Produktions-, Import- und Handelsmengen getrieben, die den Bedarf der Bevölkerung um die besagten 30 % übersteigt. Es führt deshalb kein Weg daran vorbei, diese Menge auf den tatsächlichen Bedarf zurückzuführen.
Wie immer, wenn Wirtschaftszweige gesund geschrumpft werden, müssen für die frei werdenden Angestellten neue Arbeitsplätze gefunden werden.
Der Bundesrat täte gut daran, sich auf diesen Sachverhalt zu fokussieren und nicht mit Strategiepapieren, Informatik-Apps, statistischen Auswertungen, Appellen und Bildungsmassnahmen sich vor der Realität zu drücken. Mit derartigen Massnahmen wird der Bundesrat, gegen das ausgeklügelte Marketing der Wirtschaft zur Umsatzsteigerung, vergeblich ankämpfen. Er wird mit seinem selbst gesteckten Ziel, eine Reduktion um 50 % bis ins Jahr 2030, kläglich scheitern. Vielleicht muss der Bundesrat daran erinnert werden, dass die Reduktion des Tabakkonsums durch Restriktion der Werbung erzielt wird.