Biodiversität-Vogel

Biodiversität umfasst die Mannigfaltigkeit unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören.

Dieser politische Begriff zur biologischen Vielfalt wurde im Abkommen der UNCED im Jahre 1992 in Rio de Janeiro definiert und es wurden weltpolitische Massnahmen beschlossen.


Zur Biodiversität gehören Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen sowie Ökosysteme – aber auch wir Menschen. Biodiversität ist das auf der Erde existierende Leben in seiner gesamten Vielfalt und mit all seinen Wechselwirkungen. Die zur Abstimmung vorliegende Initiative nimmt, nach Aussagen der Initianten, Bund und Kantone in die Pflicht, die Lebensräume der Lebewesen und Pflanzen zu sichern. Im Klartext: Die Regierungen und Parlamente von Bund und Kantone sollen die natürlichen Lebensbedingungen für Menschen, Tiere und Pflanzen gewährleisten. Mit dieser absoluten Forderung und in Kenntnis der Komplexität des ganzen natürlichen Organismus eine unerfüllbare Aufgabe.


Immer wieder erweisen sich von Menschen realisierte Umweltschutz Projekte als unzulänglich. Der „Organismus Natur“ lässt sich mit dem logischen Denken und Handeln der Menschen nicht „erziehen“. Getroffene Massnahmen bewirken vielfach nicht die erwünschte Wirkung oder die Natur antwortet mit negativen Auswüchsen. Pandemien, invasive Pflanzen und geschützte Tierarten, die andere verdrängen, sind die negativen Auswirkungen des menschlichen Handelns.


Die Menschen können der Natur Gutes tun, indem sie grosse, in der Vergangenheit von Tieren und Pflanzen belegte Flächen zurückgeben und diese völlig der Natur überlassen. Tiere und Pflanzen werden den ihnen überlassenen Lebensraum selber, mit zum Teil neuen, den klimatischen Änderungen angepassten Pflanzen und Tieren, Sumpfgebieten und Grünflächen, so gestalten, wie wir uns kaum vorstellen können. Hierzu braucht es keinen Massnahmenkatalog der Naturschützer und keine Ranger. Die Natur hat sich über Jahrtausende eigenständig den Umwelteinfüssen angepasst und überlebt.


Eine Vermischung von menschlichen und naturbelassenen Lebensräumen in Ballungszentren ist für alle Beteiligten nachteilig, teilweise untragbar. Unter diesen Bedingungen sind sowohl Tiere und Pflanzen als auch die Menschen zu stark beeinträchtigt und in ihrer freien Entfaltung eingeschränkt. Insektenplagen und von Tieren übertragene Krankheiten können sich einstellen. Plagen, denen man nicht mit chemischen Mitteln begegnen darf.


Die Erkenntnis, getrennte Räume für die Natur und Menschen zu verwirklichen, würde für die Schweiz bedeuten, einen Teil des derzeitigen Siedlungs- und Kulturlandes der Natur zurückzugeben, indem die ansässige Bevölkerung entweder in die Berge umgesiedelt, die Siedlungsflächen weiter verdichtet oder die Anzahl der in der Schweiz lebenden Menschen verringert wird. Die Siedlungsgebiete in die Berge verlagern oder die Einwohnerzahl reduzieren dürfte sich gesellschaftlich kaum verwirklichen lassen. Ebenso untauglich ist das weitere Verdichten der Siedlungen. Dies steht im Widerspruch zu den Zielen der Biodiversität, die den Menschen als Teil der Natur gesunde Lebensbedingungen zugestehen. Letztendlich müssten beim Abtreten von Kulturland neue Wege zur Lebensmittelproduktion geschaffen werden. Mensch und Natur müssen folglich fortan mit einschneidenden Kompromissen leben. Kompromisse, die in den Fachbereichen Landwirtschaft, Besiedlung, Verkehr etc. erarbeitet werden müssen. Wissenschaftliche Beamte können Wunschziele und Verbote formulieren, das aber sind keine Lösungen für die vielfältigen Probleme - vergleiche Vorgehen und unerreichte Klimaziele. Der Aktionsplan des Bundes legt daher grossen Wert auf das Schlagen von Brücken zwischen den politischen Biodiversitäts-Forderungen und den Bereichen Landwirtschaft, Raumplanung, Verkehr, Energie, u.a. Er vermeidet damit, einen eigenständigen, isoliert arbeitenden Biodiversitäts-Politikbereich, sondern positioniert den Themenkreis dorthin, wo Fachspezialisten praktizierbare Kompromisse erarbeitet können.


Die zur Abstimmung vorliegende Biodiversitäts-Initiative rennt offene Türen ein. Seit 2012 verfügt die Schweiz über eine Strategie Biodiversität. Sie definiert anhand zehn strategischer Ziele die Schwerpunkte des Engagements des Bundes, um die Artenvielfalt, die Ökosysteme und die genetische Vielfalt zu erhalten. 2017 hat der Bundesrat die Strategie mit einem Aktionsplan konkretisiert, sodass die Flächenziele weitgehend erreicht sind:

  • 80'000 ha BFF (Biodiversitätsförderflächen) der Qualität I in der Talzone
  • 43 % der BFF wurden mit Qualität II ausgezeichnet
  • 78 % der BFF sind vernetzt
  • Blühstreifen, extensive Wiesen, Brachen, Hecken, Hochstamm-Obstbäumen usw. werden
    kontinuierlich angelegt

Aktuell haben wir in der Schweiz über 195'000 ha BEF auf Landwirtschaftsland. Das entspricht rund 19 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche und ist fast dreimal so viel wie staatlich vorgeschrieben. Mit einem neuen, in der Initiative vorgesehenen Bundesverfassungsartikel von Grund auf neu zu beginnen, würde die erarbeiteten Konzepte, Massnahmen und Projekte zunichtemachen. Eine erneute, zweite Ausführung dürfte kaum vorteilhafter ausfallen.


Das BAFU (Amt des Eidg. Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation) hat sämtliche Massnahmen und Pilotprojekte der ersten Umsetzungsphase hinsichtlich ihrer ökologischen und ökonomischen Wirkung auf die Erhaltung und Förderung der Biodiversität evaluiert. Für die zweite Umsetzungsphase ab 2025 bis Ende 2030 wurde das BAFU beauftragt, einen Massnahmenplan auszuarbeiten, denn die Biodiversitätsziele wurden mehrheitlich nicht erreicht. Die Schutzflächen wurden zwar eingerichtet, aber die Natur hat auch in diesem Fall nicht mitgespielt. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass die Klimaschwankungen immer wieder neue Naturerscheinungen hervorbringen, beispielsweise starke Vermehrung einzelner Insekten oder Pflanzen, die Änderungen an den getroffenen Massnahmen erfordern. Zudem sind die für die Kleinlebewesen eingerichteten Flächen schlichtweg zu klein, als dass sie Ersatz für die Ackerflächen, wo die Kleinlebewesen verhindert werden, bilden könnten - Parallelen zu dem Zusammendrängen der Menschen in verdichtete Siedlungen, sind unverkennbar.


Mit der Genmanipulation scheint eine optimale Lösung zur Schädlingsbekämpfung gefunden zu sein. Das Saatgut wird mithilfe der Genschere mit Abwehrfähigkeiten gegen gefrässige Lebewesen und anderen natürlichen Organismen ausgerüstet. Das steht wiederum im Widerspruch zu den Zielen der Biodiversität. Kleinlebewesen verhindern, bedeutet keine Nahrung für die nächst grösseren Lebewesen. Die Weltpolitik wird diesen Konflikt lösen und entscheiden müssen, ob dieser weitere massive Eingriff in die Natur sachgerechte Lebensräume für Menschen, Tiere und Pflanzen bringen kann. In einer Vorbildfunktion könnte die Landesregierung für die Kennzeichnung von genmanipulierten Lebensmitteln besorgt sein, verbunden mit der Sensibilisierung der Konsumenten, von diesen Produkten Abstand zu nehmen.


Hauptkritikpunkt beim Thema Diversität ist die Verbetonierung und die Schädigung des Kulturbodens, der Gewässer und der menschlichen Gesundheit durch Chemikalien. Im Vergleich mit grösstenteils flach gelegenen Ländern, wo riesige Flächen monokulturmässig bewirtschaftet werden, weist die Schweiz eine vorzügliche Flächenbilanz auf.

Quelle: BFS


Über 74,9 Prozent der Fläche sind grösstenteils naturbelassen, lediglich 9,2 Prozent sind bewirtschaftet und 7,1 Prozent durch Bauten und Verkehrswege verbetoniert. Trotz dieser einzigartigen Ausgangslage ist die Schweiz angehalten, den Fortbestand vieler kleiner Lebewesen durch Verzicht auf chemische Mittel in der Landwirtschaft zu gewährleisten. Verbunden ist diese Aufgabe mit einem Wandel in der Nahrungsmittelproduktion und im Konsum. Ein langwieriger Prozess, der sich auf die Landwirtschaft und den Konsum konzentriert, wird nötig sein. Die Natur gewähren lassen bedeutet im Endeffekt, dass die Menschen mit den produzierten Pflanzen auf den Feldern teilweise mit den Kleintieren, Insekten, Pilzen, Viren und Bakterien teilen müssen. Mit dem Projekt „PestiRed“ der Agroscope und IP-Suisse arbeiten Fachleute und über 50 Betriebe am Ziel, 75 Prozent weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen, bei maximal zehn Prozent Ertragseinbusse. Mit über zwanzig Methoden, vom einfachen Trick bis zu Hightech-Maschinen, werden Erfahrungen gesammelt. Ganz ohne Pestizide ist derzeit jedoch keine Lösung in Sicht. Eine solche kann auch ein neuer Verfassungsartikel nicht hervorzaubern.

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